Region | 15. Dezember 2021 | Daniel Adler
Waldpark Update: „Wenn die Bagger rollen, ist es zu spät!“
Initiative Waldpark Mannheim e.V.
Über ein Jahr nach unserem Gespräch mit der Initiative Waldpark Mannheim e.V. sind die Planungen des Regierungspräsidiums Karlsruhe zur Rheindammsanierung veröffentlicht worden. Damit hat im Oktober auch die Frist für schriftliche Einwendungen gegen das veröffentlichte Vorhaben begonnen. Vergangene Woche ist diese Einwendungsfrist von der Stadt Mannheim um fast einen ganzen Monat verlängert worden. Die Einwendungsfrist endet damit anstatt am 21. Dezember 2022 am 19. Januar 2023. Nur noch bis zu diesem Tag können Bürgerinnen und Bürger schriftlich mögliche Bedenken zu den Plänen des Regierungspräsidiums äußern. Was das Regierungspräsidium genau plant, kann unter www.uvp-verbund.de unter dem Stichwort „Mannheimer Rheinhochwasserdamm“ eingesehen werden. Die Initiative Waldpark e.V. hofft, dass viele Betroffene Einspruch erheben. Auf waldpark-mannheim.de hat sie daher Mustereinwendungen veröffentlicht. Auch die Bürger-Interessen-Gemeinschaft, kurz BIG, Lindenhof wirbt für eine hohe Beteiligung.
Ein wichtiges Fachgutachten von Dr. Ronald Haselsteiner im Auftrag der Stadt ist indes veröffentlicht worden, vorgestellt hat der Deichexperte es am 8. November im Ausschuss für Umwelt und Technik der Stadt Mannheim. Haselsteiner spricht sich darin gegen die Pläne des Regierungspräsidiums aus und für eine baumerhaltende Alternative bei der Rheindammsanierung. Konkret sieht sein Gutachten eine Lösung vor, bei der bis zu 90 Prozent der Bäume nicht gefällt werden müssen. Er weist außerdem auf diverse Mängel und Widersprüche in den Plänen des Regierungspräsidiums hin. Das Gutachten untermauert also die Forderung der Baum-Aktivist:innen. Die Initiative Waldpark betont aber trotz dieser guten Nachrichten für alle Fans des Waldparks: Die Einwendungen gegen die Pläne des Regierungspräsidiums sind nach wie vor essenziell. Dr. Sabine Jinschek erzählt uns im Gespräch:
„Viele Menschen glauben, jetzt seien keine Einwendungen mehr nötig. Das Fachgutachten ist eine sehr fundierte Argumentationsgrundlage. Aber: Es ist nur ein Teilerfolg. Wie die Stadt reagiert, ist völlig offen. Sie könnte immer noch die Pläne des Regierungspräsidiums genehmigen – oder unter Auflagen genehmigen. Deswegen: Schreibt Einwendungen! Wenn die Bagger rollen, ist es zu spät.“
Die Verlängerung der Einwendungsfrist hat die Stadt Mannheim mit den Kosten für die Rheindammsanierung begründet. Laut Haselsteiner ist die Sanierung des Damms durch seine im Gutachten empfohlene Spundwandlösung um zwischen 30 und 36 Prozent günstiger, als die Sanierung nach Vorstellungen des Regierungspräsidiums.
Das Fachgutachten will die Stadt mit ihrer Stellungnahme bei der Unteren Wasserbehörde einreichen. Die kann dann die Planung des Regierungspräsidiums entweder ablehnen oder genehmigen. Auch möglich ist, dass sie Auflagen beschließt oder Nachbesserungen fordert.
Alles rund zur Initiative Waldkpark e.V.: Ohne Bäume noch mehr Hitze
Klimaschutz ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. In den letzten Jahren ist ein Umdenken zugunsten des Klimas erfolgt: Wir überdenken unser Essverhalten, die Art, wie wir uns fortbewegen und welche Auswirkungen unser Shampoo auf den Regenwald hat. Was dabei oft vergessen wird: Klimaschutz fängt oft schon vor der eigenen Haustür an. Quadratestadt hat mit Dr. Sabine Jinschek und Michael Detmer von der Initiative Waldpark Mannheim e.V. über dieses Thema gesprochen. Die Bürgerinitiative setzt sich für eine baumerhaltende Rheindammsanierung ein und hofft, dass es für die Rettung der Bäume noch nicht zu spät ist.
In den vergangenen eineinhalb Jahren hat der Spaziergang an der frischen Luft, in Ermangelung anderer Freizeitaktivitäten, bei vielen Menschen einen neuen Stellenwert erlangt. Viele Stadtbewohner:innen zog es dabei vor allem in Mannheims grüne Lunge – den Waldpark. An ihm erfreuen sich seit Jahrzehnten nicht nur Läufer:innen und Spaziergänger:innen, auch für viele Tier- und Pflanzenarten ist der Wald am Rhein essenziell.
Vor allem aber profitiert Mannheims Klima von den vielen Bäumen im Waldpark und auf dem Rheindamm. Denn wer sich mit Klimaschutz auskennt, weiß: Bäume sind unentbehrliche Klimahelfer. Sie speichern CO2 in ihren Wurzeln und geben wieder Sauerstoff in die Atmosphäre ab. Als eine der heißesten Gegenden Deutschlands sollte die Region Mannheim also froh um jeden Baum sein, der schon steht. Denn die Klimaprognosen für die Quadratestadt sind alles andere als rosig. Im Jahr 2050 rechnen Experten mit Temperaturen über 25 Grad Celsius an 80 Tagen im Jahr. Auch Temperaturen über 45 Grad Celsius werden demnach dann keine Seltenheit mehr sein.
„Ohne Bäume noch mehr Hitze“ ist daher auch einer der Slogans der Initiative Waldpark Mannheim.
Trotz der Klimakrise sollen auf dem Rheindamm nun tausende Bäume gerodet werden, um den Damm zu sanieren. So plant es die Landesregierung Baden-Württemberg im Rahmen des Dammertüchtigungsprogramms 2015. Planende Behörde ist das Regierungspräsidium Karlsruhe. Zu diesem Rodungsplan gibt es eine baumerhaltende Alternative, erklärt uns Dr. Sabine Jinschek im Gespräch:
Hochwasserschutz und Baumerhalt lassen sich durchaus in Einklang bringen. Das zeigen etliche Beispiele aus der Praxis, wie die Spundwandlösung auf der Parkinsel in Ludwigshafen. Und das belegen konkrete Studien zum Rheindamm in Mannheim.
Jinschek bezieht sich hierbei auf die Untersuchungen zweier Experten, die im Auftrag der Bürger-Interessen-Gemeinschaft (BIG) Lindenhof bereits 2019 eine alternative Lösung zur Baumrodung erarbeiteten. Im Ergebnis erklärte ein Wasserbauingenieur, dass der Damm durch das Einsetzen einer durchgängigen Spundwand mitsamt den meisten Bäumen erhalten bleiben könnte und schloss auch einen Dammbruch bei dieser Methode aus. Zudem bestätigte ein Baumstatiker, der vom Regierungspräsidium Stuttgart vereidigter Sachverständiger ist, dass die Bäume durch ihre Wurzeln für die Stabilisierung des Damms sorgen.
Das Regierungspräsidium Karlsruhe jedoch will die Erneuerung des Erdbaudamms, die eine Rodung der Bäume voraussetzt. Zwar soll es hierbei auch an einzelnen Stellen Spundwände geben, aber diese sind, im Gegensatz zu der baumfreundlichen Alternative, nicht statisch tragend. Das heißt, auch hier müssen die Bäume weg. Erdbaudämme sind von Experten in der Vergangenheit immer wieder kritisiert worden, da diese nicht als bruchsicher gelten und bei extremen Überschwemmungen teilweise weggespült werden können. Das Regierungspräsidium argumentiert wiederum, dass die Bäume die Dammsicherheit verringern würden, und beruft sich auf eine DIN-Norm aus dem Jahre 2013. Daher soll der Damm nach den Plänen des Regierungspräsidiums auch zukünftig frei von Bäumen bleiben. Bei DIN-Normen handelt es sich um Empfehlungen, die aber nicht bindend sind. Michael Detmer hat wenig Verständnis für die Pläne aus Karlsruhe:
Es kann nicht sein, dass – gerade in Zeiten des Klimawandels – im Waldpark sieben Hektar intakter Wald gerodet wird, wenn es eindeutig eine bessere Lösung für den Hochwasserschutz gibt. Eine selbsttragende Spundwand aus Stahl ist stabiler, beständiger und damit auch viel sicherer als ein Damm aus Erdmaterial.
Die Sanierungspläne des Regierungspräsidiums müssen noch durch die Untere Bodenschutz- und Wasserbehörde der Stadt Mannheim geprüft werden. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Sobald das der Fall ist, wird eine Anhörung durchgeführt und die Unterlagen offengelegt. Träger öffentlicher Belange, Vereine und Verbände werden dann um Stellungnahme gebeten. Das schließt auch die Stadt Mannheim ein, die selbst Träger öffentlicher Belange ist. In dieser Funktion gibt sie ein Gutachten durch einen Experten in Auftrag, der auch einen möglichen Baumerhalt prüfen soll.
Seit dem 1. Juli steht der von der Stadt beauftragte Gutachter nun fest. In einer Pressemitteilung wurde bekanntgegeben, dass die Wahl auf den Deichexperten Dr. Haselsteiner gefallen sei. Haselsteiner hatte sich bereits in der Vergangenheit zum Thema Hochwasserschutz und Baumerhalt geäußert. Dabei hatte er sich für den Einsatz einer Spundwand mit tragender Funktion ausgesprochen und bekräftigt, dass ein sicherer Damm auch mit Bäumen gebaut werden kann. Die Sprecher der Initiative Waldpark Mannheim e.V. halten dies für ein grundsätzlich positives Signal, bezweifeln aber, dass damit der Baumerhalt gesichert ist:
Offensichtlich zeigt der Druck der Öffentlichkeit langsam Wirkung, aber die Rodungspläne sind damit längst nicht vom Tisch“, sagt Dr. Sabine Jinschek. „Leider müssen wir weiterhin davon ausgehen, dass die Verantwortlichen der Stadt die Pläne der Landesbehörde akzeptieren, denn sie haben den Kahlschlag seit Projektbeginn mitgetragen.
Unser Magazin hat die Bürgermeisterin für Umwelt und Klima, Frau Prof. Dr. Pretzell gebeten, zu den Sanierungsplänen des Regierungspräsidiums Karlsruhe Stellung zu nehmen. Daraufhin hieß es, dass dies „aus Termingründen leider schwierig“ sei. Man würde die unvollständigen Pläne des Regierungspräsidiums zum jetzigen Zeitpunkt aber auch noch nicht kommentieren. Wie sich die Stadt aktuell positioniert, bleibt so weitgehend offen.
Da gerade die jüngeren Bürger:innen Mannheims von den klimapolitischen Entscheidungen von heute betroffen sind, haben wir von Fridays For Future Mannheim wissen wollen, was sie zu der Rodung der Bäume sagen. Die Bewegung scheint das Thema Rheindammsanierung weitestgehend auszuklammern. Auf mehrmaliges Nachfragen schrieb man uns:
„Leider hat niemand von uns genug Expertise, um dazu eine klare Haltung einzunehmen.“
Die Umweltschutzbewegung Extinction Rebellion Mannheim ließ unser Magazin auf Nachfrage wissen:
„Die Initiative zum Erhalt der Bäume im Rheindamm hat unsere volle Unterstützung. Wir werden eine derart sinnlose und gewaltvolle Zerstörung unserer Lebensgrundlagen nicht hinnehmen.“
Extinction Rebellion erklärte zudem, dass sie zu diesem Zweck zu den Mahnwachen der Bürgerinitiative gingen und zivilen Ungehorsam in Erwägung ziehe, sofern eine Rodung der Bäume durchgeführt werde. Unsere Frage, ob das Thema präventiv und in Eigeninitiative von der Bewegung aufgegriffen würde, blieb unbeantwortet.
Sobald die Planungsunterlagen zur Dammsanierung als aussagekräftig angesehen werden, werden diese von der Stadt Mannheim veröffentlicht. Bürger:innen können dann innerhalb von sechs Wochen Einwendungen gegen die Pläne erheben.
Wichtig ist, dass möglichst viele Leute Einwendungen gegen die drohenden Abholzungen erheben. Das können alle tun, deren Belange durch das Vorhaben berührt werden“, erklärt Michael Detmer. „Und dies sind nicht nur diejenigen, die direkt hinter dem Rheindamm wohnen und deren Grundstücke betroffen sind. Auch soziale, kulturelle und sonstige Interessen lassen sich als Argumente gegen das Projekt anführen.
Das heißt: Alle Bewohner:innen Mannheims können sich melden, beispielsweise wenn Sie in der Rodung der Bäume einen Nachteil für den Waldpark als wichtiges Naherholungsgebiet sehen oder eine Bedrohung für das städtische Mikroklima. Mit der Veröffentlichung der Planungsunterlagen sei, laut einer Pressemitteilung der Stadt, nicht mehr vor den Sommerferien zu rechnen. Wenn es soweit ist, können die Bewohner:innen der Stadt Mannheim deutlich machen, wie die Zukunft des Mannheimer Waldparks und des städtischen Mikroklimas aussehen soll.
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