Menschen | 28. November 2019 | Daniel Adler

Kim Lumelius – Wheelie Wanderlust

Ein Reiseblog auf vier Rollen
Über die Liebe zur Heimatstadt Mannheim und das ständige Fernweh

Wir treffen Kim Lumelius zum Gespräch im Mannheimer LUNI, einem ihrer Lieblingsorte in ihrer Heimatstadt. Immer mit Kim unterwegs: „Lutzi“, wie sie ihren Rollstuhl mit kleinem Augenzwinkern nennt. Da Kim inzwischen Stammgast in dem Restaurant in der Schwetzingerstadt ist, wurde dort bereits vor einiger Zeit eine mobile Rampe angeschafft, die allen Rollstuhlfahrern einen barrierefreien Zutritt ermöglicht:

„Es sind genau diese vermeintlich kleinen Dinge, die uns Rollstuhlfahrern das Leben enorm erleichtern können!“

Die Reisebloggerin ist seit ihrer Geburt an Spinaler Muskelatrophie erkrankt, einer bislang unheilbaren Krankheit, die einen stetigen Muskelschwund im Körper verursacht und bedingt, sodass eine Fortbewegung ohne „Lutzi“ inzwischen für Kim nicht mehr möglich ist.

Selbstständig und hungrig aufs Leben scheint die heute 32-Jährige aber schon immer gewesen zu sein: so trug sie im Jugendalter die Zeitungen eben im Rollstuhl aus, zog früh von Zuhause aus, absolvierte erfolgreich ein Studium, arbeitet hauptberuflich als Beamtin in Rheinland-Pfalz und nutzt seit jeher jede Chance, um mehr von der Welt sehen zu können. In Mannheim lebt Kim mit Ihrem Ehemann in der Oststadt:

„Eine rollstuhlgerechte Wohnung zu finden ist auf dem eh schon angespannten Wohnungsmarkt sehr, sehr schwierig. Inzwischen lassen sich die Wohnungen auf den gängigen Suchportalen zwar nach Barrierefreiheit filtern, dann bleiben allerdings von 100 Wohnungen noch maximal zwei übrig. Wir hatten mit unserer aktuellen Wohnung unfassbar viel Glück, auch wenn sie ebenfalls nicht hundertprozentig barrierefrei ist.“

Während mir Kim von ihrem Alltag in Mannheim erzählt, wird schnell klar, wie viele kleine und größere Hürden sie jeden Tag zu meistern hat. Sei es der Aufzug, der am Bahngleis wieder einmal defekt ist und es dementsprechend keine Möglichkeit gibt, pünktlich am Zielort anzukommen, bis hin zum alltäglichen Toilettengang außerhalb der eigenen vier Wände. Oftmals gibt es gar keine rollstuhlgerechten Toiletten und selbst wenn, sind diese dennoch nicht immer passend.

„Ich gehe inzwischen mit meinem ganzen Freundeskreis auf Toilette“,

lacht Kim,

„da haben wir schon vor einiger Zeit jegliches Schamgefühl abgelegt. Natürlich mag das nicht für jeden die Lösung des Problems sein, für mich erleichtert es aber vieles und erlaubt mir, mich frei bewegen zu können.“

Die erfrischend ehrliche und sympathische Art, wie Kim genau über Themen wie diese spricht und lachen kann, ist nicht nur sehr beeindruckend, sondern nimmt einem auch Bedenken, man könne etwas Falsches fragen oder sich unbewusst mal nicht ganz politisch korrekt ausgedrückt haben.

Ihre Heimat- und Geburtsstadt Mannheim bezeichnet Kim als weitgehend rollstuhlfreundlich. Im innerstädtischen Bereich kann sie sich dank abgesenkter und glatt gepflasterter Bordsteine fortbewegen, alle Busse verfügen inzwischen über geeignete Rollstuhlrampen. Aber natürlich besteht auch hier noch Verbesserungsbedarf, beispielsweise beim barrierefreien Zugang zu den öffentlichen Verkehrsmitteln an Haltestellen.

„Ich kenne in Mannheim wohl jede öffentliche Toilette, jeden abgesenkten Bordstein und jeden Busfahrer. Manchmal sind Läden auch barrierefrei, von außen ist dies allerdings nicht immer direkt erkennbar. Hier wären zum Beispiel kleine Hinweise an den Eingangsbereichen hilfreich.“

Auch wenn Kim ihre Heimatstadt liebt und hier einen großen Freundes- und Bekanntenkreis hat, ist das Reisen ihre wohl größte Leidenschaft. Sie war in diesem Jahr bereits in Südafrika, auf Mykonos oder zum Wildwasserrafting und Wellnessurlaub in der Schweiz. Der Entschluss, das Fotoalbum gegen einen eigenen Reiseblog zu tauschen, war für Kim in vielerlei Hinsicht ein wichtiger Schritt:

„Früher gab es kaum Fotos von mir, auf denen mein Rollstuhl zu erkennen war – heute findet man zig Bilder von mir und Lutzi auf meinem Reiseblog. Auf Wheelie Wanderlust möchte ich nicht nur die Erinnerungen meiner Reisen zusammentragen, sondern auch Anderen die nötigen Informationen bereitstellen, die für eine Reiseplanung mit Rollstuhl wichtig sind.“

Kim erklärt mir auch hier, welche Optionen möglich sind, um mit Rollstuhl in Flugzeug oder ICE zu verreisen und worauf sie bei der Auswahl der Unterkünfte achten muss.

„Barrierefrei heißt nicht gleich rollstuhlgerecht. So kann ein Hotelzimmer zwar barrierefrei zugänglich sein, jedoch über keine rollstuhlgerechte Dusche verfügen. Da hilft nur eins: die Unterkünfte anschreiben und nachhaken!“

Und so kontaktiert sie vor einer längeren Fernreise auch mal gut und gern über hundert verschiedene Unterkunftsmöglichkeiten.

Kim ist sich dennoch darüber bewusst, dass vieles in dieser Form nicht ohne die Unterstützung durch ihren Mann, Familie und Freunde möglich wäre. Für das kommende Jahr sind bereits Ziele wie Sri Lanka und die Malediven ins Auge gefasst.

„Vor zehn Jahren war es noch schlichtweg unmöglich, alle nötigen Informationen für eine Reise mit Rollstuhl im Internet vorab einzuholen. Indem ich von meinen persönlichen Reisen berichte, hoffe ich, damit anderen Rollstuhlfahrern die eine oder andere Frage beantwortet zu können. Gleichzeitig gibt mir diese Form des Austausches ebenfalls viel zurück und ich kann meine große Leidenschaft für das Reisen sinnvoll nutzen!“

Danke Kim, für dieses ehrliche und sehr amüsante Gespräch!

by Daniel Adler

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